Neulich hatte ich ein Gespräch mit einer jungen Frau, die ich kaum kannte. Also kein Focusing, sondern ein ganz normales Gespräch, in dem sie mich fragte, ob sie den angebotenen Studienplatz annehmen sollte. Als ich sie darauf hinwies, dass sie das selbst deutlich besser beurteilen kann, kündigte sie an, sie werde gleich erst einmal ihre Mutter anrufen.
In diesem Artikel geht es um die Frage, warum wir eher auf andere hören als auf uns selbst. Oder vielmehr: Warum es so schwierig ist, uns selbst zuzuhören. Gerade bei wichtigen Entscheidungen trauen wir uns selbst leider oft am wenigsten.
Die Inspiration zu diesem Artikel kam übrigens von Manuela Krämer, die in ihrer Blogparade ‚Face your Story‚ dazu aufrief, ein Selfie zu machen, dass ein Problem oder ein Vorurteil von Klienten beschreibt. In der Kunsthalle Brennabor in Brandenburg an der Havel wurde ich auf die Ich-Installation von Christine Lengtat aufmerksam. Und schwups war das Selfie gemacht – auch wenn ich mich sonst immer noch ein bisschen schwertue mit Selfies. Das Bild zeigt mich selbst, mit bangem Blick auf das Wort „Ich“.
Der Blick nach außen: fast schon ein Reflex
Was ich immer wieder beobachte: Wenn es um wichtige Entscheidungen geht, wenden wir uns automatisch nach außen. Wir befragen Partner, Eltern, Freunde, machen uns auf die Suche nach Experten. Wir hören Podcasts, lesen Ratgeber und recherchieren im Netz. Neuerdings befragen wir auch künstliche Intelligenzen nach ihrer Meinung.
Wer für seine Situation trotzdem keinen Ausweg finden, bucht einen Coach oder eine Coachin. Am liebsten jemanden, der Orientierung gibt – also mindestens Impulse, aber am besten gleich umsetzungstaugliche Tipps. Gerade neue Klienten, die Focusing noch nicht kennen, fragen mich gerne nach meiner Meinung und meinen Lösungsvorschlägen.
In solchen Situationen frage ich mich immer wieder: Warum gehen wir so selbstverständlich davon aus, dass andere besser wissen als wir selbst, was gut für uns ist? Klar, andere verfügen über die Distanz, die uns in schwierigen Situationen fehlt. Aber jede(r) hat seine/ihre individuelle Geschichte, zu der auch immer eine ganz persönliche Lösung gehört. Und nur du selbst kannst beurteilen, was wirklich richtig ist und als Nächstes ansteht.
Von mir bekommst du also keine Antworten – weil ich für dich keine habe und auch nicht haben kann. Aber ich unterstütze dich dabei, deine Antworten zu finden
Wir selbst sind die Hüter unseres Grals
Wenn der Kopf nicht aufhört zu denken
Aber was tun, wenn sich dein Gedankenkarussell sich erst einmal in Bewegung gesetzt hat? Wenn die Zweifel an jeder neuen Lösungsidee nagen und du schon so vieles verworfen hast, was sich um ersten Moment nach einer guten Lösung angehört hat. Wenn du dich schlichtweg überfordert fühlst. Auch ich kenne dieses Bitte-entscheide-du-für-mich-egal-wie“-Gefühl aus der Zeit, als ich die Methode Focusing noch nicht kannte. Gerade wer häufiger oder schon länger feststeckt, verliert den Glauben daran, selbst zu wissen, was richtig ist.
Die Ursachen für Grübelei und Unentschlossenheit sind übrigens vielfältig und haben sehr verschiedene Ursachen:
- Entscheidungsmüdigkeit durch häufige und anspruchsvolle Entscheidungen
- Entscheidungsparalyse durch Überforderung bei zu vielen Optionen
- Angst vor Fehlern
- Mangelndes Selbstvertrauen
- Perfektionismus
- Negative Erfahrungen und Traumata
- Angst vor Ablehnung, Harmoniestreben
- Kontrollbedürfnis
Für mich war es ein echtes Aha-Erlebnis, als ich verstand, dass die Ursache von Kopfkino sehr oft nicht die Fragestellung selbst ist. Und dass der Blick nach außen, zu den anderen, die Sache nur noch schlimmer macht.
Was gutes Entscheiden wirklich braucht: Kopf und Körper
Der Vorschlag, innezuhalten, langsam zu werden und in sich hineinzuhorchen, erscheint am Anfang erst einmal seltsam – gerade wenn die Zeit drängt. Dabei hat die Kognitionswissenschaft längst belegt: Denken verläuft nicht rein kognitiv. Vielmehr ist der Körper an allen Denkprozessen beteiligt. Dass unser Körper implizites Wissen hat, das wir bei Entscheidungen unbedingt nutzen sollten, ist inzwischen gut belegt.
Trotzdem fehlt den meisten Menschen das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung und damit in das eigene körperliche Erleben. So erstaunlich es ist: Es ist das Menschenbild der Aufklärung (Ende 17. bis frühes 19. Jahrhundert), das die Perspektive unserer Gesellschaft auf den Körper bis heute prägt. Damals wurde der Mensch unterteilt in den Geist (Vernunft) und den Körper (Materie).
Bis heute stellen wir das rationale Denken als oberste Instanz in den Mittelpunkt, während der Körper, vom Geist getrennt, wie eine Maschine betrachtet wird. Und diese konsequente Trennung hält sich hartnäckig – so falsch sie auch ist.
Es wird Zeit, dass wir uns von diesen unzutreffenden Sichtweisen lösen.
Wenn wir die Verbindung von Verstand, Erfahrung, Intuition und Wissen, das aus dem Körper kommt, schaffen, wird unsere Entscheidungsbasis umfassender und Entscheiden gleichzeitig leichter.
Focusing: Der Blick auf das, was zählt
Focusing-Coaching schafft genau diese Verbindung. Du erlebst, wie dein Kopf und dein Körper zusammen denken und findest deinen guten nächsten Schritt. Alles, was du bisher über dein Thema, deine Frage, dein Problem weißt, hast du dabei – alle Fakten, alle Meinungen, alle Aber durch den Focusing-Prozess bekommst du noch mal eine andere Perspektive darauf, die durch dein körperliches Erleben entsteht. Du fragst dich also selbst auf eine neue Art und bekommst eine Antwort, die wirklich passt.
Focusing ist eine Methode, mit der du lernst, den Blick nach innen zu richten. Es ist keine neue Methode, sondern ein direkter Zugang zu einer Fähigkeit, die in jedem Menschen angelegt ist – bei vielen jedoch kaum noch genutzt wird. Es geht darum, ganz selbstverständlich wahrzunehmen, was sich im Körper zeigt, wenn du dich mit einem Thema, einer Frage oder einem Problem auseinandersetzt. Dabei entsteht eine Verbindung zwischen Kopf und Körper, aus der überraschende neue Ideen, Lösungen oder Perspektiven hervorgehen können.
Warum das funktioniert? Weil der Körper immer sehr viel mehr weiß als der Kopf denken kann.
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Fazit: Du kannst dir vertrauen
Verschwende keine Zeit mit externen Impulsen, wenn du innerlich feststeckst. Im Außen findest du nur fremde Antworten. Es spricht natürlich nichts dagegen, sich zu informieren und inspirieren zu lassen. Auch das eine oder andere Gespräch kann hilfreich sein. Lange, bevor ich Focusing kannte, habe ich bei Schwierigkeiten genau das gemacht: Ich habe beim Sprechen mit anderen überprüft, ob das, was ich gerade erzähle, überhaupt stimmt. Oder ob andere Worte es besser treffen, die meine Perspektive auf das Thema vielleicht noch mal ändern.
Der richtige nächste Schritt entsteht nicht im Außen – sondern im Kontakt mit dir selbst. Auch wenn das erst einmal beunruhigend klingt – eigentlich ist es eine Erleichterung. Denn dich selbst hast du immer dabei. Es ist nur wichtig, dass du weißt, wie du deine wichtigste Ressource nutzt.