28 Jahre hat in meinem Leben nur das eine Rolle gespielt, was andere geschrieben haben. Von der Leserin zur Selbstschreiberin wurde ich – ungeplant und unfreiwillig – in meinem ersten Job. Danach habe ich mehr als 25 Jahre meine Energie und meine Fähigkeiten in gute Texte für andere gesteckt. Erst durch Focusing habe ich angefangen, über meine eigenen Themen zu schreiben. In diesem Artikel erzähle ich, wie ich von einer mittelmäßigen Deutschschülerin zur begeisterten Bloggerin und von einer Texterin zur Schreiberin wurde. Zu dem Artikel hat mich die Blogparade von Inge Bateman inspiriert.
Schreiben? Nicht mein Ding.
Ich habe in meiner Kindheit keine Gedichte oder Kurzgeschichten geschrieben. Auch war ich nie als Redakteurin der Schülerzeitung aktiv. Deutschunterricht hat mich immer gelangweilt und in Grammatik kam ich auf eine glatte 5. Der einzige Grund, in Schulzeiten freiwillig zu Schreibwerkzeug zu greifen, war der Wunsch, die wirren Gedanken meines pubertierenden Ichs mithilfe eines Tagebuchs zu ordnen. Immerhin: Schon als Kind habe ich sehr viel gelesen und konnte Buchstaben deshalb ohne große Schwierigkeiten in die richtige Reihenfolge bringen.
Bei meinen ersten nachschulischen Aktivitäten (Lehre in einer norddeutschen Molkerei sowie Studium mit Abschluss Dipl.-Ing.) waren Zahlen wichtiger als Buchstaben und sprachliche Schönheit wurde nicht erwartet. Das war für mich völlig in Ordnung. Schreiben war mir – anders als das Lesen – überhaupt nicht wichtig.
Plötzlich hieß es: schreib!
In meinem ersten Job wurde ich plötzlich verantwortlich für eine Mitarbeiterzeitschrift mit 500 Lesenden. Als Erstes schrieb ich eine Glosse, die ich auch noch gelungen fand, als mir 20 Jahre später ein Exemplar der ersten Ausgabe in die Hand fiel. So kam das Verfassen von Texten in mein Leben: Einfach so, nebenbei, ohne Wünsche in diese Richtung.
Wie ich von der Ingenieurin zur Redakteurin wurde, erzähle ich in meinem Artikel über wichtige Entscheidungen in meinem Leben ausführlicher.
Weil ich aber keine Journalistin werden wollte, wurde ich PR-Frau und gründete auch irgendwann meine eigene Agentur. In den ersten Jahren textete ich noch viel selbst, später gab ich Mitarbeitenden Feedback und griff nur noch selbst ein, wenn Kunden partout nicht zufriedenzustellen waren.
Gold aus Worten spinnen
Einer meiner langjährigen Lieblingskunden sagte über mich, dass ich Stroh zu Gold spinnen könne. Heute würde man wahrscheinlich sagen, ich sei eine gute Storytellerin. Aus der Focusing-Perspektive betrachtet erkläre ich es mir so: Es war mir möglich, Zusammenhänge zu erkennen, die zu der Entwicklung eines Produktes oder einer Dienstleistung geführt hatten – auch wenn diese den Entwicklerinnen selbst gar nicht bewusst waren.
Schreiben über mich? Eine ganz andere Liga.
So toll schreibt sie doch gar nicht, magst du jetzt möglicherweise denken – und ich widerspreche dir nicht. Über 20 Jahre habe ich Geschichten von anderen erzählt.
Als ich Ende 2024 mit meinem Blog begann, stellte ich fest: Es ist komplett anders, für mich selbst zu schreiben. Plötzlich geht es um mich, meine eigene Haltung, mein Leben, meine Themen. Es geht darum, mich zu zeigen und ich hätte nie gedacht, wie schwer mir das mitunter fällt. Auch nach fast 20 Blog-Artikeln erwische ich mich dabei, wie ich wieder zurückfalle in meine alte Rolle als Texterin.
Dabei finde ich das persönliche, echte Schreiben großartig. Immer wieder macht es mich auch unsicher, aber gleichzeitig stärkt und erfüllt es mich und macht mir sehr viel Spaß. Ich habe das Gefühl, es schafft sowas wie einen neuen soliden Grund, auf dem ich – was auch immer – aufbauen kann.
Schreiben ist Focusing
Denn bevor ich losschreiben kann, muss ich erst einmal die richtigen Worte finden. Der Prozess ist der gleiche wie beim Focusing: Ich horche in mich hinein, was zu meinem Thema schon da ist, mir aber vorher noch nicht bewusst war. So tauchen immer wieder Fragen auf, die ich mir vorher gar nicht gestellt hatte. Durch die Reflexion kommen Aspekte an die Oberfläche, die mir nicht klar waren, die aber sehr wichtig sind. Mitunter sind es positive Punkte, die mir guttun, weil sie mir bewusst werden.
Meine Erfahrung: Gutes Schreiben ist ein Erspüren des Vorhandenen und weniger ein geschicktes Ausdenken.
Ein Blog für ein schwer erklärbares Thema
Irgendwann hatte ich angefangen, schräge Begebenheiten aus meinem Leben als Inspiration für einen Roman zu sammeln. Das war es dann aber auch schon mit meiner Karriere als Schriftstellerin. Ich konnte mich einfach nicht motivieren, meine Romanidee umzusetzen.
Der Impuls für meinen Blog entstand durch Focusing. Focusing ist als Methode im therapeutischen Bereich bekannt und verbreitet, im Business-Kontext allerdings weitgehend neu. Hier findest du einen Artikel, indem ich erkläre, was Focusing-Coaching ist. Als für mich feststand, dass ich Focusing beruflich einsetzen möchte, stellte sich mir die Frage: Was kann ich tun, um Menschen für diese Methode zu begeistern?
In unserer Ausbildung hatten wir immer wieder gehört: Focusing kann man nicht erklären, das muss man erleben. Das fand ich schon damals sehr unbefriedigend. Um Menschen für Focusing zu interessieren, ist diese Haltung jedenfalls völlig ungeeignet.
Ich erinnerte mich an meine Lust zu schreiben und entschied, einen Blog anzufangen. Zuerst wollte ich einfach nur von meinen persönlichen Erlebnissen mit Focusing erzählen. Als ich anfing, mich ernsthaft mit dem Bloggen zu beschäftigen, wurde mir bewusst, wie viele Möglichkeiten das für eine erklärungsbedürftigen Methode wie Focusing bietet.
Jetzt schreibe ich wirklich
Ende 2024 ging es los: Ich schrieb meinen Jahresrückblick 2024 und wurde Mitglied in ‚The Content Society‘ von Judith Peters. Der Jahresrückblick war der erste Artikel, in dem ich über persönliche Themen schrieb – gleichzeitig ein schönes und ungewohntes Gefühl.
Nach fünf Monaten in der Blogger Community weiß ich, was Schreiben wirklich für mich bedeutet. Die richtigen Worte für die Themen anderer zu finden, hatte mir auch Spaß gemacht. Aber über das zu schreiben, was mich selbst beschäftigt, ist ein Geschenk. Schreiben wird für mich immer mehr zum Selbstausdruck. Stets habe ich mich als Frau des geschriebenen Wortes bezeichnet. Aber wirklich gelebt habe ich das nicht. Nun ist es endlich so weit.
Auch heute schreibe ich nicht nur über persönliche Themen – mein Blog gehört ja zu meiner Website. Aber es macht mir viel Spaß, gleichermaßen persönliche wie professionelle Worte zu finden für ein Thema, das man angeblich nicht beschreiben kann. Ich finde, es gelingt mir schon ganz gut – und mit jedem Artikel besser.
Du möchtest wissen, was es mit diesem Focusing auf sich hat?
4 Kommentare
Was für ein herrlicher, kurzweiliger Beitrag, Birgit! Danke, dass du einen so erfrischend persönlichen Einblick teilst. Und was für einen unerwarteten Weg du mit dem Schreiben hast. Ich liebe diese letzte Überschrift „Jetzt schreibe ich wirklich“.
Ich habe den Beitrag von Anfang bis Ende gespannt gelesen. Und dann grad noch einmal und war immer noch genauso gefesselt. Wort für Wort, alles ist kondensiert. An einigen Stellen habe ich laut aufgelacht. Ich mag es sehr, wie du die nackten, persönlichen Fakten präsentierst und wirken lässt. Und das Ganze mit Reflexionen „verwebst“, die punktgenau formuliert sind. Das sind wirklich Worte, die wirken – und die Überschrift so treffend.
Uns verbindet übrigens, dass wir schwer erklärbare Themen haben. Und wir haben zur etwa gleichen Zeit begonnen, neben den Fachartikeln auch über Persönliches mit eigener Haltung zu bloggen. Ein Hurra auf diesen Prozess! Ich hätte NIE gedacht, dass ich das mal mache. Und es tut so gut.
Herzliche Grüße
Inge
Liebe Inge, was für eine schöne Rückmeldung. Den Text zu schreiben hat mir sehr viel Freude bereitet. Möglicherweise ist das rauszulesen. Ohne den Impuls deiner Blogparade wäre ich aber nicht auf die Idee gekommen, dazu etwas zu schreiben. Es tut mir so gut, solche Sachen aufzuschreiben. So werden sie mir noch bewusster und ich kann mich daran noch intensiver freuen.
Ebenso herzliche Grüße zurück
Birgit
Liebe Birgit,
herzlichen Glückwunsch zu deinem wirklich gelungenen Artikel.
Persönliche Schreibansätze sind sooo wunderbar, um eben auch die unternehmerischen Aspekte zu beleuchten. Denn als Coachin bist du ein Gesamtkonstrukt bestehend aus Person und Wissen. Das verbindend zu transportieren gelingt dir prima, auch dass du deine Entwicklung zeigst und so sehr menschlich und authentisch rüberkommst durch deine Worte 🙂
Witzig, ich habe gerade vor wenigen Minuten einen Blogartikel zum Thema „Schreiben als KREATIVE Routine“ veröffentlicht, er spiegelt den einen und anderen Ansatz wider, den du selbst beschreibst.
Ich freue mich darauf, wieder von dir zu lesen, für heute darf das Laptop aber zugeklappt werden 🙂
Viele Grüße Gabi
Liebe Gabi,
habe deinen Artikel gerade voller Freude gelesen. Wir scheinen mit ähnlichen Ansätzen zu arbeiten: Worte zu finden für das, was schon da ist, aber noch keine Worte hat. Damit deine Kunden daraus Geschichten und meine Kundinnen daraus Entscheidungen und Lösungen entwickeln können, die wirklich zu ihnen passen.
Wie schön, dass du auch auf diese Weise arbeitest.
Wünsche dir eine schöne abendliche Pause